Saisonalität: Dem Rhythmus der Märkte auf der Spur
Viele Märkte weisen im Jahresverlauf ein typisches Muster auf, von dem die Anleger profitieren können. Was es dabei zu beachten gilt, besprechen wir in dieser Folge zur Technischen Analyse.
Bei der genaueren Beobachtung der Finanzmärkte über einen langjährigen Zeitraum hinweg fallen bei verschiedenen Märkten typische Kursverläufe innerhalb des Jahreszyklus auf. Diese saisonalen Tendenzen können zum Teil auf klar identifizierbare wiederkehrende fundamentale Einflussfaktoren zurückgeführt werden. Sehr augenfällig und bereits seit Jahrhunderten bekannt ist dies im Bereich der Agrarrohstoffe. Dort spielen vor allem die Zeiträume, in denen die Ernte verkauft bzw. angekauft wird, sowie die Zeiträume, in denen Frostgefahr oder Dürregefahr besteht, eine wichtige Rolle. Doch auch bei anderen Rohstoffen, Zinsmärkten, Devisenmärkten und Aktienmärkten lassen sich saisonale Muster ausfindig machen. Zum großen Teil existieren plausible Erklärungen für diese typischen Kursverläufe, in anderen Fällen sind die Ursachen hingegen unklar oder umstritten. Einige Anleger, die die saisonale Analyse in ihr Arsenal an Entscheidungshilfen integrieren, nutzen sie ausschließlich in Märkten, bei denen die Ursache für die Muster aus ihrer Perspektive heraus ausreichend geklärt erscheint. Andere Trader gehen hingegen pragmatisch vor und hinterfragen die Ursachen nicht, solange jedenfalls ein historisch offensichtliches Muster vorliegt.
Grundsätzliches zu Daten und Berechnung
Anleger, die saisonale Muster in ihren Handel integrieren möchten, sollten sich bewusst sein, dass unterschiedliche Methoden existieren, die Saisonalitätskurven zu berechnen, wobei sich die meisten Anbieter entsprechender Daten bzw. Dienste in der Regel auch nicht in die Karten schauen lassen, welche Formel sie genau verwendet haben. Je nach verwendeter Formel kann die Kurve dann ein leicht unterschiedliches Bild ergeben. Ferner ergeben sich zusätzliche Unterschiede vor allem im Bereich der Rohstoffe bei der Betrachtung von Spotpreisen, nicht adjustierten Futures-Preisen und adjustierten Futures-Preisen. Schließlich gilt es zu beachten, dass Saisonalität auch einem Wandel unterworfen sein kann. Daher ist es zwar von Vorteil, wenn man möglichst viele Jahre in die Berechnung einfließen lassen kann bzw. abgebildet bekommt – beispielsweise mindestens 20 oder 30 Jahre –, aber auch im kürzerfristigen Rückblick gegenprüft, ob sich die Kurve möglicherweise in den vorherigen fünf oder zehn Jahren wesentlich verändert hat. Ein Chartsoftwareanbieter, der Saisonalitätskurven integriert hat und die Möglichkeit offeriert, die Anzahl der Berechnungsjahre auszuwählen, ist beispielsweise Lenz & Partner mit Taipan. Webseiten, auf denen man vorgefertigte Saisonalitätscharts betrachten und scannen kann, sind beispielsweise seasonax.com und equityclock.com.
Grafik 1: DAX-Saisonalität (25 Jahre)
Trading mit der Saisonalität
Die Grundidee des saisonalen Handels ist, in saisonal starken Phasen investiert zu sein und saisonal schwache Phasen zu meiden oder auf fallende Kurse zu setzen. Allerdings sind die Korrelationen natürlich nicht perfekt. Die Märkte können sich durchaus auch komplett entgegen der saisonal indizierten Richtung entwickeln. Und wenn sie dies tun, geschieht dies nicht selten sogar mit hoher Dynamik. Daher sollten Handelsentscheidungen auf keinen Fall ausschließlich auf saisonale Aspekte gestützt werden. Vielmehr stellt die Saisonalität lediglich eine – wenn auch sehr nützliche – Ergänzung zur sonstigen technischen und fundamentalen Analyse des Basiswerts dar. Eine Bestätigung des saisonalen Musters seitens der Preiskurve ist absolut unerlässlich. Die Integration saisonaler Richtungsvorgaben kann auf unterschiedliche Weisen erfolgen. Im kurz- bis mittelfristigen Handel können beispielsweise in einer saisonal starken Phase ausschließlich technische Kaufsignale gehandelt werden, während Verkaufssignale ignoriert oder höchstens zu Gewinnmitnahmen genutzt werden. Ein anderer Ansatz ist, die Positionsgrößen bei Handelssignalen in saisonal stützenden Phasen zu erhöhen. Im mittel- bis langfristigen Handel können technische Bodenbildungen in der Preiskurve beim Übergang von einer saisonal schwachen Phase in eine saisonal starke Phase für den Aufbau oder Ausbau einer Position genutzt werden. An vielen Aktienmärkten ergibt sich zum Beispiel ein statistisch belastbares Muster, wonach in den sechs Monaten November bis April eine höhere Rendite als in den restlichen sechs Monaten zu erwarten ist. Die alte Börsenweisheit »Sell in May and go away, but remember to come back in September« sollte daher etwas angepasst werden, um den für kräftige Kursrückgänge berüchtigten Oktober zu vermeiden.
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