Die wichtigsten Trading-Regeln, Teil 2
In dieser Ausgabe setzen wir die Reihe zu wichtigen Leitsätzen und Handelsmaximen für aktive Anleger fort.
Gewinne laufen lassen und Verluste begrenzen
Eine der ältesten und bekanntesten Trading-Leitlinien lautet, dass man als Anleger darauf achten sollte, die Gewinne laufen zu lassen und die Verluste zu begrenzen (»let your profits run and cut your losses short«). Was sich zunächst simpel anhört, gestaltet sich in der praktischen Umsetzung schon komplizierter. Dies liegt daran, dass es eine unüberschaubare Zahl an Strategien gibt, beiden Erfordernissen gerecht zu werden. Doch sollte sich der Anleger hiervon nicht verunsichern lassen. Die perfekte Vorgehensweise, die in jedem konkreten Einzelfall das Maximum an Gewinnen aus der Trading-Position herauszieht bzw. den schützenden Stop-Loss am idealen Punkt setzt, existiert nicht. Die gängigsten Methoden haben wir in dieser Reihe zur Technischen Analyse bereits vorgestellt. Wichtig ist jedoch in jedem Fall, dass man an die Thematik systematisch herangeht, die Problematik verstanden hat und die Erkenntnisse dann mit einem Handelsplan auch tatsächlich umsetzt (siehe hierzu auch die nächste Regel).
Der Grund dafür, dass man bei Trading-Positionen, die sich in die gewünschte Richtung bewegen, nicht vorschnell Gewinne realisieren sollte, liegt in der Tatsache begründet, dass sich die Märkte in Trends bewegen. Das Ziel eines trendfolgenden Anlegers sollte es daher sein, einen möglichst großen Teil dieser Trendbewegung mit der eingegangenen Position zu begleiten, um den Profit zu maximieren. Große Gewinne lassen sich entsprechend lediglich erzielen, wenn man der Position sowohl genug Luft für typische Gegenbewegungen entgegen dem dominanten Trend lässt als auch ausreichend Zeit, um so weit in den Gewinn zu laufen, dass sich das bei der Einnahme der Position anvisierte Chance-Risiko-Verhältnis im Sinne einer Chancenwahrnehmung tatsächlich realisieren lässt. Neigt man als Anleger erfahrungsgemäß dazu, Gewinne regelmäßig zu früh mitzunehmen, kann das lediglich teilweise Realisieren von Kursgewinnen eine sinnvolle psychologische Gegenmaßnahme darstellen. Solche Teilgewinnmitnahmen in Höhe etwa der Hälfte der Position könnten beispielsweise im Aufwärtstrend an wichtigen technischen Widerständen sowie bei überkauften markttechnischen Indikatoren erfolgen. Erfahrene Anleger, die Teilgewinne realisieren, verlangen meist als weitere Voraussetzung, dass sich die Position mindestens um 1R, das bedeutet die einfache preisliche Entfernung zum gesetzten anfänglichen Stop-Loss-Niveau (Risiko), in die gewünschte Richtung bewegt haben muss. Das meist damit verbundene Nachziehen des schützenden Stops der Restposition auf mindestens das Niveau des Einstandskurses macht die Restposition – abgesehen von der Möglichkeit einer Kurslücke oder einer anderen scharfen Gegenbewegung – zu einer solchen, die »aus dem Feuer« ist. Damit sich bezogen auf die Gesamtposition ein akzeptables Chance-Risiko-Verhältnis ergibt, sollte weiterhin für die Restposition erst frühestens ab ca. 3R eine mögliche Gewinnrealisierung erwogen werden. Etwas anderes gilt natürlich, falls sich vorher eine Trendumkehr abzeichnet.
Die Sinnhaftigkeit der Regel, die Verluste durch den Verkauf der Verlustposition zu begrenzen, ergibt sich aus zwei Dingen: Zum einen existiert keine Handelsstrategie mit einer hundertprozentigen Trefferquote. Früher oder später wird sich also eine eingegangene Position nicht so wie erhofft verhalten und Buchverluste generieren. Geht damit eine Änderung der technischen Ausgangslage einher – beispielsweise der Bruch des dominanten Trends, auf dessen Fortbestand spekuliert wurde –, gibt es keinen technischen Grund mehr, an der Position festzuhalten. Zum anderen wird es mit immer größeren Buchverlusten zunehmend schwerer, diese Verluste wieder wettzumachen. Um von einem Verlust in Höhe von 10 Prozent wieder auf das Ausgangsniveau zu kommen, bedarf es eines Kursanstiegs in Höhe von lediglich 11 Prozent. Summiert sich das Minus jedoch bereits auf 50 Prozent, müsste die Position anschließend um 100 Prozent ansteigen, nur um das Ausgangsniveau wieder zu erreichen, was wesentlich schwerer gelingen wird. Bezogen auf das gesamte Trading-Kapital begrenzen erfahrene Anleger das Risiko pro Einzelposition meist auf 0,5 bis 2,0 Prozent. Selbst bei sehr guten Handelsstrategien kommt es vor, dass man mehrere Verluste in Folge hinnehmen muss. Begrenzt man nun das Risiko in der genannten Weise, bleibt man auch im Falle des statistisch unvermeidbaren Eintretens einer solchen Negativserie handlungsfähig.
Tabelle 1: Notwendiger Anstieg zum Ausgleich der Verluste
Höhe des Verlusts |
Erforderliche Erholung zum Ausgleich |
---|---|
10 % |
11 % |
20 % |
25 % |
30 % |
43 % |
40 % |
67 % |
50 % |
100 % |
90 % |
900 % |
95 % |
1.900 % |
Quelle: Société Générale
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