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Das 1x1 der Trading-Psychologie – in Theorie und Praxis
Stellen Sie sich einmal vor, Sie stehen an einem Marktstand, sehen einen älteren Verkäufer mit freundlichen Augen und einem sanften Lächeln, der Äpfel in verschiedenen Farben anbietet. Die Äpfel sind in hölzernen Kisten ordentlich gestapelt. Handgeschriebene Schilder geben die Preise an. Schnell entwickeln Sie ein Gefühl für den Verkäufer und die Ware, die Sie zudem riechen, anfassen und vielleicht sogar probieren können. Möglich, dass Sie den Preis bei einer Abnahme von mehreren Kilo sogar verhandeln können. Abwegig, aber auch denkbar: ein Tauschhandel mit dem Marktstandbetreiber. Die »Karten« liegen auf dem Tisch. Die Informationen über das geplante Geschäft sind sämtlich verfügbar.
Ganz anders ist die Situation bei Finanzentscheidungen unter Unsicherheit im »virtuellen Raum«. Sie haben verschiedene Möglichkeiten, die Ware (zum Beispiel direkt als Aktie, aber auch als ETF oder Derivat) zu erwerben. Sie können die Ware weder riechen, schmecken noch anfassen. Die Ware hat kein Gewicht in Gramm oder Kilogramm und es bedarf keiner Beförderung. Allerdings müssen Sie schnell entscheiden, um einen bestimmten Preis zu ergattern (ständige Preisänderung). Wie sich der Preis entwickelt, ist nicht absehbar, weder kurz- noch langfristig.
Der Preis des Finanzprodukts verändert sich ständig. Die Unsicherheit, möglicherweise einen schlechteren Preis zu bekommen, könnte ein Gefühl von »zum schnellen Handeln gezwungen« in Ihnen auslösen. Wenn Sie das Produkt gekauft haben, kommt irgendwann ein Zeitpunkt, der Sie zu weiteren Entscheidungen drängt (nichts tun, verkaufen oder nachkaufen). Anders als beim Kauf von Äpfeln gibt es bei Finanzgeschäften keine stabilen Preise und Rückabwicklung in Form eines Verkaufs des entsprechenden Finanzprodukts.
In Situationen plötzlicher, starker Preisänderungen (Crash) könnten Sie unter außerordentlichen Druck geraten. Vielleicht reagieren Sie emotional, vielleicht handeln Sie impulsiv, vielleicht tappen Sie in eine Finanzfalle, die Sie am Ende mit leeren Händen und einem Gefühl von Unzulänglichkeit zurücklässt. Wie Sie das umgehen können, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Die Grundlagen erfolgreicher Trader
Die Voraussetzungen für erfolgreiches Trading sind eine Strategie mit positivem Erwartungswert und ein klarer Kopf, diese Regeln ausnahmslos umzusetzen. Weiterhin förderlich ist, Fehler im Finanzverhalten als Lernchance zu begreifen und nicht ständig dieselben zu machen. In Abbildung 1 sehen Sie typische Fehler, die beim Vorbereiten, Durchführen und Nachbereiten von Trades vorkommen können. Diese Liste ist sicherlich unvollständig, gibt aber einen ersten Überblick, woran Sie arbeiten können, wenn Sie Ihr Trading verbessern wollen. Vielleicht kreuzen Sie einmal die Punkte an, die Sie betreffen?
Was ist Trading-Psychologie, was sind Finanzfallen?
Trading-Psychologie basiert auf etablierten Theorien und Prinzipien aus der Psychologie, insbesondere aus den Bereichen der Kognitions- und Verhaltenspsychologie. Konzepte wie kognitive Verzerrungen, emotionale Regulation und Entscheidungsfindung unter Unsicherheit sind zentrale Bestandteile.
Finanzielle Fehler oder Missgeschicke werden Finanzfallen genannt. Trader, die in diese Fallen tappen, können erhebliche finanzielle Verluste erleiden. Die Gründe dafür liegen oft in der toxischen Mischung aus mangelnder finanzieller Bildung (was auch kognitive Verzerrungen einschließt), fehlender Strategie und emotionalen Entscheidungen.
Die Literatur über Trading-Psychologie und Finanzfallen ist vielgestaltig. Das Lesen und Verstehen macht uns zunächst nicht zu besseren Finanzentscheidern. Entscheidend ist, inwieweit wir bereit sind, uns zu hinterfragen, zu lernen, zu verändern und das Begriffene und Integrierte regelmäßig in der Praxis anzuwenden.
Meine Erfahrungen mit Tradern zeigen, dass dasselbe Finanzverhalten zwar zu denselben finanziellen Ergebnissen führt, die tieferen Gründe dafür allerdings von Mensch zu Mensch verschieden sein können.
Abbildung 1: Fehler, die Tradern bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung unterlaufen können
Kognitive Verzerrungen und Emotionen bei Finanzentscheidungen
Kognitive Verzerrungen sind systematische Neigungen beim Wahrnehmen, Urteilen, Denken und Erinnern. Wie auch unsere Emotionen können sie eine finanziell sinnvolle Entscheidungsfindung beeinträchtigen. Die Psychologen Daniel Kahneman, Amos Tversky und der Wirtschaftswissenschaftler Richard Thaler waren die Wegbereiter der Verhaltensökonomie, die traditionelle ökonomische Theorien mit psychologischen Erkenntnissen kombinierte. Einige häufig vorkommende kognitive Verzerrungen werden im Folgenden kurz erklärt.
1. Die Verfügbarkeitsheuristik besagt, dass Entscheidungen basierend auf leicht verfügbaren Informationen getroffen werden, unabhängig von deren Informationsgehalt (Aussagekraft).
2. Die Ankerheuristik ist ein kognitives Phänomen, bei dem Menschen beim Schätzen von Zahlen oder Wahrscheinlichkeiten (auch beim Abschätzen von Kursentwicklungen) stark von einem Anfangswert (Anker) beeinflusst werden, auch wenn er möglicherweise belanglos ist.
3. Der Sicherheitseffekt beschreibt die Tendenz, sichere Optionen gegenüber risikoreicheren, aber potenziell profitableren Alternativen zu bevorzugen. Menschen entscheiden sich oft für garantierte Ergebnisse, um Unsicherheit zu vermeiden, selbst wenn sie dadurch zu schlechteren finanziellen Entscheidungen gelangen.
4. Die Tendenz, Informationen zu suchen oder zu interpretieren, die unsere bestehenden Überzeugungen unterstützen, wird Bestätigungsfehler genannt. Diese einseitige Sicht ist vielfach der Grund, warum Positionen zu lange gehalten werden.
5. Overconfidence Bias (»Übervertrauen«): Die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse zu überschätzen, kann zu riskanteren Entscheidungen und Fehleinschätzungen führen. Bei »Da kann ja gar nichts schief gehen«-Trades werden oft zu hohe Positionsgrößen gewählt.
Neben den vielen kognitiven Verzerrungen sind es unsere Emotionen, die unsere Urteilsfähigkeit und damit auch unsere finanziellen Entscheidungen entscheidend beeinflussen können. Angst kann dazu führen, Geld zu horten, im Verlust nachzukaufen oder auch die Positionsgröße zu verringern. Wut ist möglicherweise riskanteren Trades zuzuordnen, wohingegen Freude zu impulsiven Trades verleiten kann.
Sehr vereinfacht ausgedrückt lassen sich viele Finanzfallen auf Ängste (emotional) oder eine Portion »Besserwisserei« (kognitiv) zurückführen (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Die zwei Arten von Finanzfallen – emotional und kognitiv
Trading-Psychologie next Level: Neuroökonomie
Aufbauend auf den Grundlagen der Verhaltensökonomie wurde das Forschungsfeld in den frühen 2000er-Jahren entscheidend erweitert: Die Neuroökonomie entwickelte sich. Sie kombinierte die Erkenntnisse und Methoden von Neurowissenschaft, Psychologie und Ökonomie. Die Neuroökonomie untersucht beispielsweise, welche neuronalen Mechanismen unsere Emotionen, Belohnungssysteme, soziale Interaktionen und kognitive Verzerrungen bei ökonomischen Entscheidungen beeinflussen. Hierbei werden vielfach bildgebende Verfahren wie das fMRT (funktionelle Magnetresonanztomografie) verwendet, um herauszufinden, welche Gehirnregionen bei Finanzentscheidungen aktiv sind (siehe Abbildung 3).
Abbildung 3: Gehirnregionen und ihre Funktionen
Wie Sie zu finanziell besseren Entscheidungen gelangen: Tipps und Tricks
(1) Haben Sie schon einmal Ihre persönliche Geldgeschichte beleuchtet? Was bedeutet Geld für Sie? Haben Sie Vorbilder in Bezug auf Ihren Umgang mit Finanzen? Was denken Sie über Geld, gibt es limitierende Glaubenssätze, die Ihre Entscheidungen beeinflussen? Machen Sie sich auch bewusst, dass »Geld nicht gleich Geld« ist: Unerwartete Gewinne, aber auch geschenktes und vererbtes Geld, werden als »Bonus« betrachtet und häufig freizügiger ausgegeben als hart erarbeitetes, verdientes Geld.
Grundsätzlich von Vorteil ist, die finanzielle Bildung zu verbessern, das heißt (2) Produktkenntnis zu erlangen, Märkte und ökonomische Zusammenhänge zu verstehen. Günstig ist es sicherlich auch, sich mit Begriffen wie Diversifikation, Cost-Average-Effekt oder Markteffekten auseinanderzusetzen. Wissen schützt zwar nicht vor Verlusten, hilft aber, informierte Entscheidungen zu treffen und kognitive Verzerrungen zu verringern.
(3) Hilfreich ist auch, wenn Sie sich mit Begriffen wie Hebel, Hebelwirkung, Trefferquote und Profitfaktor auseinandersetzen. Planen Sie im Vorfeld, wie Sie bei Buchverlusten von –5, –10 oder –20 Prozent reagieren? Legen Sie fest, wann Sie nachkaufen, die Position verringern oder auflösen. Diese Überlegungen machen sich auch auf der positiven Seite bezahlt: Wann entscheiden Sie sich für Gewinnmitnahmen oder dafür, Stopps nachzuziehen?
Stress, aber auch Langeweile oder Freude können zu impulsiven Kaufentscheidungen führen. Vielfach ist es auch gezieltes Neuromarketing (»120 Prozent in vier Monaten«, »Experten raten …«), das uns verführt. Insofern könnte sich Impulskontrolle oder emotionale Kontrolle (4) als ein weiterer Pluspunkt entpuppen (siehe Abbildung 4).
Abbildung 4: Was Ihr Gehirn leisten muss – Reiz wahrnehmen und verarbeiten
Bei Finanzentscheidungen ist es wichtig, dass unser Gehirn eine optimale Leistung abliefert. Entscheidend ist zunächst, ob wir einen Reiz wie »8 Prozent Kursgewinn in drei Tagen möglich« überhaupt wahrnehmen. Das hängt vor allem von unserer Erwartung, dem Kontext, in dem uns die Information dargeboten wird, und unserer Aufmerksamkeit ab. Daher ist es wichtig, Kriterien zu haben, nach denen wir einen Reiz als »gut« im Sinne von informativ einordnen. Ist der Reiz in unsere Wahrnehmung vorgedrungen, kommt es darauf an, ihn auch »gut« zu verarbeiten und zu entscheiden, ob und mit welchem Geldbetrag die 8 Prozent Kursgewinn in drei Tagen möglich gemacht werden sollen. Spannend in diesem Zusammenhang ist, dass richtige Vorhersagen und Einschätzungen Sicherheit erzeugen.
Diese unaufgeregte Vorgehensweise ist auch ein Schlüssel, wie wir bei finanziellen Entscheidungen unsere Emotionen wie Angst (Unsicherheit, Sorge, Panik), Wut (Ärger) und Freude (Euphorie) in den Griff bekommen. Weitere Mittel gegen impulsives Handeln können so einfache Dinge wie ein bewusstes Loslassen Ihres vorherigen Trades, eine auf Ihre Persönlichkeit abgestimmte Strategie oder auch das Führen eines Trading-Tagebuchs sein.
(5) Zu guter Letzt sollten Sie sich mit den Begriffen rund ums Risiko (Trade, Konto) und Risikoarten (Markt, Währung, Emittent …) vertraut machen. Setzen Sie Stopps unter Berücksichtigung der Volatilität. Trading-Erfolg ist auch eine Frage von »Wie Sie Ihre Ziele formulieren und erreichen«.
Die Zukunft der Trading-Psychologie
Durch das Verständnis psychologischer und neurowissenschaftlicher Faktoren können wir unsere Trading-Entscheidungen beeinflussen. Die Trading-Psychologie entwickelt sich in einer zunehmend komplexeren Finanzwelt (neue Technologien und Finanzprodukte) ständig weiter.
Künftige Forschungen und Anwendungen könnten sich mit der Integration von Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen in die Trading-Psychologie beschäftigen, um uns bessere Finanzentscheide zu ermöglichen. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass es auf das richtige Mindset ankommt. Letztlich geht es darum, finanzielle Entscheidungen geplant und gelassen zu treffen. Gewinnen beginnt innen.
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