Chartformationen, Teil 6: Flagge und Wimpel

Die beiden klassischen Chartformationen Flagge und Wimpel sind sich sehr ähnlich. Sie zählen zu den zuverlässigsten Fortsetzungsmustern und sind weit verbreitet. Anlegern eröffnen diese Formationen die Gelegenheit, in eine dynamische Trendbewegung sinnvoll einzusteigen.

Merkmale
Beide Formationen zählen zu den kurzfristigen Trendfortsetzungsformationen. Ihre Ausformung sollte im Tageschart zwischen wenigen Tagen und maximal drei Wochen dauern, bevor sich der durch das Muster unterbrochene Trend fortsetzt. Sowohl der Flagge (englisch: flag) als auch dem Wimpel (englisch: pennant) geht eine rasche und dynamische Trendbewegung voraus. Diese beinahe senkrechte Kursbewegung kann sowohl aufwärts- als auch abwärtsgerichtet sein und ist tatsächlich das wichtigste Kriterium bei der Bewertung der Aussagekraft der beiden Formationen. Die Nichtbeachtung dieses Merkmals stellt einen häufigen und klassischen Anfängerfehler dar.

Bei der Flagge (siehe Grafik 1) entsteht anschließend ein Parallelogramm oder ein Rechteck mit zwei parallelen Trendlinien, die gegen den vorausgegangenen Trend geneigt sind. Beim Wimpel (siehe Grafik 2) verläuft das Kursgeschehen eher seitwärts und es bildet sich ein symmetrisches Dreieck mit konvergierenden Trendlinien aus. Eine häufige Beobachtung ist, dass Flaggen und Wimpel in einem Abwärtstrend eine geringere Zeit zur Ausformung benötigen als in einem Aufwärtstrend. Beide Muster werden mit dem Ausbruch über die begrenzende Trendlinie abgeschlossen. In einem Aufwärtstrend sollte es entsprechend zu einem dynamischen Anstieg über die obere Begrenzung der Flagge bzw. des Wimpels kommen. Nur relativ selten kommt es im Rahmen von Flaggen und Wimpeln zu Trendwenden statt zu Trendfortsetzungen.

Grafik 1: Flagge
Grafik 2: Wimpel

Volumen und Kursziel
Sehr wichtig im Zusammenhang mit Flaggen und Wimpeln ist das Handelsvolumen. Die Trendbewegung im Vorfeld der Ausbildung der beiden Muster sollte von hohen Umsätzen begleitet worden sein. Während der Entstehung der Muster dünnt dann das Volumen deutlich aus. Der Ausbruch aus dem Muster sollte dann mit deutlich ansteigenden Umsätzen vonstattengehen. Wie immer ist bei Chartformationen mit Ausbruch nach oben der Volumenanstieg wichtiger als beim Ausbruch nach unten. Mit Blick auf die Frage des Kursziels nach dem Ausbruch aus Flaggen und Wimpeln etablierte sich der Spruch »Sie wehen auf Halbmast«. Damit ist die Tendenz gemeint, dass beide Muster nach etwa der Hälfte der gesamten Trendbewegung auftauchen. Hierzu misst man die vertikale Strecke, die vom Beginn der dynamischen Bewegung bis zum Beginn der Ausbildung der Formationen zurückgelegt wurde. Diese Strecke wird dann – im Aufwärtstrend – entweder vom Tiefpunkt der Formation (= konservatives Mindestkursziel) oder vom Ausbruchspunkt nach oben abgetragen. Im Abwärtstrend geht man entsprechend spiegelbildlich vor.

Trade-Management
Eine wichtige Regel beim Handel von Flaggen und Wimpeln ist, den Ausbruch aus der Formation als Bestätigung abzuwarten. Bei klar definierten und respektierten Formationsbegrenzungen kann dabei mit Stop-Buy- oder Stop-Sell-Ordern gearbeitet werden, sodass man mit dem Ausbruch automatisch in den Trade eingestoppt wird. Bei eher schwammigen Begrenzungslinien empfiehlt es sich, einen Schlusskurs jenseits der Formationsbegrenzung abzuwarten und dann – vorausgesetzt, das Chance-Risiko-Verhältnis ist akzeptabel und das Volumen hat den Ausbruch bestätigt – die entsprechende Order aufzugeben. Der anfängliche Stop-Loss zur Verlustbegrenzung sollte knapp unterhalb bzw. oberhalb des Tiefs bzw. des Hochs der Formation platziert werden. Da bei Flaggen und Wimpeln im Vergleich zu anderen Formationen das Erreichen des analytischen Mindestkursziels nicht ganz so sicher ist, erscheint es zudem sinnvoll, den schützenden Stop bei der Annäherung an das Ziel zur Sicherung der aufgelaufenen Gewinne engmaschig nachzuziehen (Trailing Stop).