Kapitalmaßnahmen von A bis Z – Teil 4: Nominelle Kapitalerhöhung – Gratisaktien für Altaktionäre
Im vierten Teil der Beitragsreihe »Kapitalmaßnahmen von A bis Z« sprechen wir im Folgenden über die nominelle Kapitalerhöhung und ihre Auswirkungen.
Kurz zur Erinnerung: Bei Kapitalmaßnahmen handelt es sich um Maßnahmen einer Aktiengesellschaft, die die Kapital- und Stimmrechtsanteile der Aktionäre betreffen. Dabei kann es beispielsweise zu einer Veränderung des Grundkapitals kommen oder zu einer Veränderung in der Aktien- und Stimmrechtsstruktur.
Im Gegensatz zur bereits vorgestellten ordentlichen Kapitalerhöhung (ideas-Ausgabe November 2021) fließen bei der nominellen Kapitalerhöhung der Gesellschaft keine Mittel von außen zu. Die Erhöhung des Kapitals wird allein aus Gesellschaftsmitteln bestritten. Dies gelingt durch eine Umschichtung der Mittel innerhalb der Passivseite der Bilanz, somit spricht man hier auch von einer Innenfinanzierung. Bei der Umschichtung werden die Gewinn- und Kapitalrücklagen in Grundkapital der Gesellschaft umgewandelt. Doch welche Auswirkungen hat diese Umschichtung bei der nominellen Kapitalerhöhung für die bestehenden Aktionäre? Technisch umgesetzt wird diese Art der Kapitalerhöhung über die Emission von sogenannten Gratisaktien, auch Bonusaktien oder Berechtigungsaktien genannt. Die Altaktionäre bekommen für eine bestimmte Anzahl von Altaktien eine (oder mehrere) Gratisaktien dazu. Somit bezieht sich das einbezahlte Kapital jetzt auf mehr Aktien als vor der entsprechenden Maßnahme. Als Folge sinkt der Aktienkurs.
Um wie viel sinkt der Aktienkurs eigentlich? Die Rechnung ist relativ simpel. Der theoretische neue Aktienkurs kann wie folgt ermittelt werden:
Den Tag, ab dem die Kapitalerhöhung wirksam ist, bezeichnet man als »Ex-Tag«. Die nominelle Kapitalerhöhung stellt einen rein buchungstechnischen Vorgang dar. Das Vermögen der Aktionäre bleibt daher unverändert.
Eine Frage, die sich Aktionäre dennoch stellen sollten, lautet: Was sind die Motive der Aktiengesellschaft für solch eine Kapitalerhöhung?
Durch die Kapitalerhöhung erhöht sich das entsprechende Haftungskapital der Gesellschaft (das bedeutet geringeren Schuldenanteil). Der Kursrückgang der Aktie verbessert ihre Fungibilität, das heißt, die Aktie ist optisch günstiger. Ein Grund könnte sein, dass sich das Unternehmen durch den optisch günstigeren Aktienkurs erhofft, dass die Aktie attraktiver scheint und somit stärker nachgefragt wird. Die Reduzierung des Aktienkurses könnte auch bei einer geplanten Fusion als psychologisch günstig gewertet werden. Ein anderer Grund könnte der Dividendenpolitik geschuldet sein. Denn durch den günstigeren Aktienkurs reduziert sich die jeweilige Dividendenrendite, wenn die Dividendensumme konstant bleibt und sich entsprechend auf mehr Aktien verteilt.
Doch welche Folgen hat eine nominelle Kapitalerhöhung für Zertifikate und Optionsscheine?
Da der Aktienkurs fällt, müssen die Produkte, wie bei einer effektiven Kapitalerhöhung, mittels des sogenannten R-Faktors angepasst werden. Die Berechnung des R-Faktors ist einfacher als bei einer effektiven Kapitalerhöhung. Um den Wert des Anpassungsfaktors zu ermitteln, werden die alte und die neue Aktienanzahl ins Verhältnis gesetzt:
Der R-Faktor wird analog zu einer effektiven Kapitalerhöhung angewendet. Somit werden in der Regel der Basispreis eines Optionsscheins, der Cap eines Discount-Zertifikats und der Cap und das Bonuslevel bzw. die Barriere eines Bonus-Zertifikats mit dem R-Faktor multipliziert, während das Bezugsverhältnis durch den R-Faktor dividiert wird. Bei den Turbo-Optionsscheinen wird in der Regel ebenfalls der Basispreis sowie die Knock-Out-Barriere mit dem R-Faktor multipliziert und das Bezugsverhältnis durch den R-Faktor geteilt.
Beispiel
Im Juni 2021 hatte die Bechtle AG die Ausgabe von Gratis- bzw. Bonusaktien im Verhältnis zwei neue Aktien für eine alte Aktie beschlossen. Ex-Tag war der 16. August 2021.
Der R-Faktor wurde wie folgt errechnet:
Die unten stehenden Tabellen verdeutlichen anhand von Beispielen damals, wie die einzelnen Produkttypen von Société Générale der Bechtle-Kapitalmaßnahme angepasst wurden.
Tabelle 1: Anpassung von Optionsscheinen und Turbo-Optionsscheinen auf Bechtle AG
Typ | Basispreis alt | Basispreis neu | Knock-Out-Barriere alt | Knock-Out-Barriere neu | Bezugs- | Bezugs- |
---|---|---|---|---|---|---|
Optionsschein | 250,00 EUR | 83,33 EUR | – | – | 0,1 | 0,3 |
Optionsschein | 100,00 EUR | 33,33 EUR | – | – | 0,1 | 0,3 |
Unlimited Turbo-Optionsschein | 63,98595 EUR | 21,32865 EUR | 66,92 EUR | 22,306666 EUR | 0,1 | 0,3 |
BEST Turbo-Optionsschein | 217,958964 EUR | 72,652987 EUR | 217,958964 EUR | 72,652987 EUR | 0,1 | 0,3 |
Tabelle 2: Anpassung von Discount-Zertifikaten und Capped Bonus-Zertifikaten auf Bechtle AG
Typ | Cap alt | Cap neu | Bonuslevel alt | Bonuslevel neu | Barriere alt | Barriere neu | Bezugs- | Bezugs- |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Discount-Zertifikat | 150,00 EUR | 50,00 EUR | – | – | – | – | 1,00 | 3,00 |
Capped-Bonus-Zertifikat | 186,00 EUR | 62,00 EUR | 186,00 EUR | 62,00 EUR | 100 | 33,3333 | 1,00 | 3,00 |
Quelle: Société Générale
Weiter zu Teil 5: Börsenabgang (Delisting)
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