Interview

Geldanlage ist kein Hexenwerk – Interview mit Birgit Wetjen, Chefredakteurin des Frauen-Finanzmagazins Courage

ideas: Frau Wetjen, Sie sind Chefredakteurin des Frauen-Finanzmagazins Courage, waren aber auch schon für andere Wirtschaftsmedien wie Capital, Wirtschaftswoche oder ntv tätig. Wann haben Sie Ihr Interesse für den Journalismus entdeckt?
Birgit Wetjen: Journalistin wollte ich werden, seit ich denken kann. Ich habe immer viele Fragen gestellt und versucht, die Themen zusammenzuführen. Nach dem Abi und einem Jahr Studium der französischen Literatur in Frankreich habe ich dann mein erstes Praktikum beim Bremer Weser-Kurier gemacht – allerdings im Lokal- und Sportressort.

Und wie sind Sie zu Finanzen gekommen? Was hat Sie an Wirtschaft fasziniert?
Money makes the world go round! Ich habe mich immer schon für Wirtschaft interessiert, weil sie einen direkten Einfluss auf Politik und auch das tägliche Leben der Menschen hat. Bei Radio Bremen gab es damals im Regionalprogramm einen Redakteur, der tolle Sachen gemacht hat. Irgendwo las ich dann, dass der sein Handwerk an der Kölner Journalistenschule für Wirtschaft und Politik gelernt hatte – und so habe ich mich prompt dort beworben. Als Wirtschafts- und Finanzjournalistin habe ich die Möglichkeit, komplexe Themen verständlich zu erklären und wichtige Informationen zu vermitteln, die Menschen bei ihren finanziellen Entscheidungen helfen können.

Können Sie sich noch daran erinnern, wann Sie sich das erste Mal mit dem Thema Geldanlage beschäftigt haben?
Das war relativ spät und kam tatsächlich eher durch den Job. Ich war klassische Sparerin und habe weder bei meiner journalistischen Ausbildung noch während meines VWL-Studiums etwas mit dem Thema Börse zu tun gehabt. Der Börsengang der Telekom 1996 hat dann einen regelrechten Börsen-Hype in Deutschland ausgelöst und vor der Jahrtausendwende, als der Neue Markt blühte, wurden händeringend Geldjournalisten gesucht. Da habe ich begonnen, mich einzuarbeiten. Schnell habe ich dann mein erstes Depot eröffnet und – wie viel andere – erstmal kräftig Lehrgeld bezahlt. Aber ich bin am Ball geblieben und bin nun seit vielen Jahren überzeugte Börsianerin.

Kommen wir noch einmal zurück auf Courage. An wen richtet sich das Magazin?
An alle, die mehr aus ihrem Leben machen wollen. Vor allem Frauen möchten wir dazu motivieren, sich mit ihren Finanzen zu beschäftigen. Im Magazin zeigen wir konkrete Anlagestrategien und informieren – auch für Laien verständlich – zu allen Themen rund ums Geld. Geld ist zwar nicht alles; aber doch Voraussetzung dafür, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Darüber hinaus gibt es Porträts von spannenden Frauen, einen Karriereteil mit vielen Role-Models und Nutzwert für den Job sowie Inspiration für Schönes, Reisereportagen und -tipps und vieles mehr in der Lebenslust.

Warum fokussieren Sie sich auf Frauen? Brauchen Frauen andere Investmentstrategien?
Frauen sind deutlich stärker von Altersarmut betroffen als Männer, sie werden im Schnitt noch immer deutlich schlechter als Männer für ihre Arbeit bezahlt, arbeiten häufig in Teilzeit und verlassen sich bei der Altersvorsorge vor allem nach der Familiengründung noch immer oft auf ihre Partner. Das Risiko, später jeden Cent umdrehen zu müssen, ist also groß – aber vielen Frauen gar nicht bewusst. Ich halte viele Vorträge für Kommunen und Unternehmen und habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen schnell ins Handeln kommen, wenn sie verstanden haben, dass sie auch in der Ehe eben nicht abgesichert sind. Und dass Börse kein Kasino und Geldanlage kein Hexenwerk ist. Spezielle Investmentstrategien oder gar Produkte in Pink braucht es meines Erachtens aber nicht. Wohl aber eine andere Ansprache und vor allem Vorbilder.

Sie haben mit »Just Money« auch ein Buch zum Thema Finanzen für Frauen geschrieben. Inwiefern unterscheidet es sich von klassischen Investment-Ratgebern?
»Just Money« ist kein klassischer Ratgeber, der mit Fachbegriffen um sich wirft und die Themen rein technisch erklärt. Ich habe eigene Erfahrungen mit reingebracht. Ich möchte jungen Frauen sagen: Sei mutig, lass dich nicht unterbuttern und verkaufe dich nicht unter Wert. Tatsächlich geht es auch ums Mindset und die Glaubenssätze, die dahinterliegen; um Jobwahl, Selbstwert und Gehaltsverhandlungen; um Finanzen in der Partnerschaft und Absicherung in der Ehe – und natürlich auch um Geldanlage und Vermögensaufbau.

Warum sollten auch Männer einmal einen Blick in das Buch werfen?
Sicherlich gibt es einiges, was auch Männer in Sachen Finanzen lernen könnten [lacht]. Und am Ende kann es ja auch nicht schaden, etwas über die Lebenswirklichkeit von Frauen im 21. Jahrhundert zu erfahren. Chancengleichheit der Geschlechter ist ein gesellschaftliches Thema. Das können Frauen und Männer nur gemeinsam schaffen.

Sie als Autorin von Ratgebern – gibt es auch Ratgeber, die Sie selbst inspiriert haben?
Mich inspirieren Biografien – zum Beispiel über Warren Buffett. Die Finanzjournalistin Gisela Baur hat ein Buch über Buffetts Leben vom Zeitungsjungen zum Milliardär geschrieben. Auch inspirierend fand ich ein Buch von Tren Griffin über die Investmentstrategien von Buffetts kongenialem Partner Charlie Munger, der leider 2023 im Alter von 99 Jahren verstorben ist. Da geht es nicht um Technik, sondern um ein Mindset und die Denke. Was Buffett und Munger im Duo geleistet haben und welche Werte sie vertreten, das ist sehr beeindruckend und hat mich inspiriert.

Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anja Schneider.