Technische Analyse
Gewinner bleiben Gewinner
Momentum-Strategien nutzen das Gesetz der Stärke. Dass dieses Gesetz funktioniert, wurde in zahlreichen Studien belegt. Wie können Anleger diese Eigenheit der Märkte für sich fruchtbar machen?
Die wichtigste Prämisse der Technischen Analyse lautet: Trends existieren und sie neigen dazu, sich fortzusetzen. Die Wall-Street-Weisheit »The trend is your friend until the end« ist ein unmittelbarer Ausfluss dieses Gedankens. Doch lassen sich nicht nur Trends in der Preiskurve identifizieren, sondern auch Trends in der relativen Entwicklung verschiedener Basiswerte zueinander. Das ist vor allem im Bereich der Aktienmärkte statistisch belegt.
Der Momentum-Effekt
Der Momentum-Effekt besagt, dass eine Aktie, die schneller steigt als andere Aktien, dazu neigt, das auch in der Zukunft zu tun. Die Relative Stärke setzt sich mit anderen Worten fort. Dieses Marktphänomen spiegelt die Psychologie der Anleger wider. Denn jeder Anleger liebt Gewinner und möchte Gewinner-Aktien im Depot haben. Daher ist ein gewisses Herdenverhalten hin zu in der Vergangenheit besonders stark gestiegenen Aktien alles andere als verwunderlich. Wissenschaftliche Studien auch zu den konkreten Hintergründen des Momentum-Effekts gibt es seit den 1960er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Ein Pionier in diesem Bereich war Robert A. Levy mit seinem Konzept der Relativen Stärke nach Levy (RSL). Für die praktische Anwendung ist die Ursachenforschung allerdings irrelevant. Solange diese Marktanomalie besteht, kann der aktive Anleger von ihr profitieren. Und bislang gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass der Momentum-Effekt an Wirksamkeit eingebüßt hätte.
Es existieren diverse Methoden, wie die Relative Stärke bzw. das Momentum einer Aktie gemessen werden kann. Zudem kommen Backtests je nach dem betrachteten Zeitraum und anschließender Haltedauer zu unterschiedlichen Ergebnissen. Am einfachsten erscheint es, die prozentuale Performance innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu betrachten und dann eine Rangliste innerhalb eines Index zu erstellen. Datenbanken mit den entsprechenden Informationen gibt es kostenlos im Internet, beispielsweise auf onvista.de. Für Anleger mit einem Anlagehorizont von einigen Wochen bis Monaten empfiehlt es sich, die Jahresperformance zu verwenden. Anleger können entweder ein Portfolio basierend auf einer bestimmten Anzahl der trendstärksten Aktien in diesem Zeitraum abbilden und regelmäßig anpassen oder aber die Jahresperformance als Filter für andere Einstiegsmethoden nutzen.
Möchte der Anleger einen möglichst systematischen und festgelegten Ansatz beim Handel verfolgen, könnte er beispielsweise für den deutschen Aktienmarkt den HDAX verwenden und jeweils zum Monatsanfang die Performance-Rangliste untersuchen und die zehn Werte mit der stärksten Performance der vorherigen zwölf Monate mit identischer Gewichtung ins Depot nehmen. Zum nächsten Monatsanfang würden dann die Werte, die aus den Top 10 herausgefallen sind, verkauft und die aufgestiegenen Werte gekauft. Für Anleger, die den Momentum-Effekt lediglich als Filter für andere charttechnische Einstiegstechniken verwenden möchten, bietet es sich an, nur solche Kaufsignale wahrzunehmen, die bei den aktuellen Top 10 der Rangliste entstehen. Der Ausstieg sollte in diesem Fall nach herkömmlichen Methoden (Stop-Loss und nachgezogener Stop) erfolgen.
Vermeidung der Baissephasen
Wichtig bei der Anwendung von Momentum-Strategien ist die Erkenntnis, dass diese (Long-)Strategien nicht in einer Baissephase funktionieren. In einem zyklischen Kursabschwung des Gesamtmarkts neigen Aktien stärker zur Uniformität. Eine echte Diversifikation des Portfolios durch historisch starke Aktien gelingt nicht, da auch sie mit dem Gesamtmarkt fallen. Entsprechend ist ein Filter erforderlich, der die Anwendung von Momentum-Strategien in diesen Zeiträumen ausschließt. Eine einfache Möglichkeit hierfür stellt die 200-Tage-Linie dar. Befindet sich der Index, der das Universum des Momentum-Portfolios bildet, unterhalb der 200-Tage-Linie, sollten bestehende Positionen abgestoßen und keine neuen Long-Engagements eingegangen werden.
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