Märkte

Japanischer Yen – Sorgt die »zweite Kraft« wirklich für eine nachhaltige Re-Inflationierung?

Die Bank of Japan (BoJ) hat in diesem Jahr bereits zweimal ihre Zinsen erhöht, gleichzeitig den Sommer über Hoffnungen geweckt, dass ein ausgeprägter Zinserhöhungszyklus realistisch erscheint. Scheinbar setzen die Offiziellen alle Hoffnung auf die sogenannte zweite Kraft, die für einen nachhaltigen Inflationsdruck sorgen soll, der höhere Leitzinsen erforderlich macht. Wir prüfen anhand der Datenlage, ob an der Story schon etwas dran ist, und diskutieren, was das für den japanischen Yen bedeuten könnte.

Achterbahnfahrt beim Yen
Der japanische Yen durchlebt in den jüngsten Monaten eine wahre Achterbahnfahrt. Nachdem er eine gefühlte Ewigkeit lang immer weiter abgewertet und der Kurs US-Dollar/japanischer Yen sogar Niveaus um die 165 ins Visier genommen hat, hat der japanische Yen seit Anfang Juli deutlich aufgewertet (siehe Grafik 1). Ursächlich war neben einer US-Dollar-Schwäche nach den US-Arbeitsmarktdaten Anfang August vor allem die zweite Zinserhöhung der Bank of Japan Ende Juli. Damit wurden Hoffnungen geweckt, die BoJ würde wirklich einen ausgeprägten Zinserhöhungszyklus liefern. Da gleichzeitig der Großteil der restlichen G10-Zentralbanken mit Zinssenkungen bereits begonnen oder sie zumindest diskutiert hat, profitiert der japanische Yen relativ gesehen sogar zusätzlich von diesen Hoffnungen.

Mittlerweile hat der Yen allerdings einige Gewinne wieder abgeben müssen. Statt im Bereich von 140 zu handeln, nimmt der Wechselkurs US-Dollar/japanischer Yen Mitte Oktober eher wieder die 150er-Marke ins Visier, was einer Abwertung des japanischen Yen seit seinem Hochpunkt von mehr als 5 Prozent entspricht. Dies lag zu einem Großteil an Aussagen aus der Politik. Zum einen hat sich der neue Vorsitzende der japanischen Regierungspartei kritisch gegenüber weiteren Zinserhöhungen gezeigt (auch wenn er im Anschluss wieder zurückrudern musste), zum anderen haben aber auch einige Entscheidungsträger der BoJ Skepsis geäußert. Um die Achterbahnfahrt komplett zu machen, kamen von manchen Kommentatoren sogar Forderungen nach vorgezogenen Zinserhöhungen auf, um der Yen-Schwäche entgegenzuwirken.

Die Achterbahnfahrt verdeutlicht aber, dass man sich grundsätzlich mit den Voraussetzungen für weitere Zinserhöhungen auseinandersetzen muss, will man eine Prognose wagen, wie es mit dem japanischen Yen weitergehen könnte. Wir werfen daher im Folgenden einmal einen genauen Blick auf die Begründung der BoJ für Zinserhöhungen, erklären die von ihr immer wieder angeführte »zweite Kraft« bei der Inflation und schauen uns an, was die Datenlage dazu sagt.

Die Theorie: Was meint die BoJ überhaupt mit der »zweiten Kraft«?
Auf den ersten Blick erscheinen die jüngsten Zinserhöhungen der BoJ verwunderlich. Denn während alle anderen G10-Zentralbanken in den vergangenen Jahren angesichts eines starken Inflationsanstiegs ihre Leitzinsen deutlich erhöht haben, ließ die japanische Notenbank ihre Zinsen auf dem rekordverdächtig niedrigen Stand. Diejenigen, die jetzt anmerken mögen, der japanische Inflationsschock fiel auch relativ gering aus, haben natürlich recht. Für japanische Verhältnisse lag die Inflation aber sehr lange deutlich über dem Ziel. Hinzu kommt, dass beispielsweise die Schweizerische Nationalbank ebenfalls die Zinsen ein gutes Stückchen anhob, obwohl der Schweizer Inflationsschock auch verhältnismäßig gering ausfiel. Von daher hätte es sicherlich auch Argumente für die BoJ gegeben, in diesem Zeitraum bereits die Zinsen anzuheben.

Grafik 1: Wie geht es weiter mit dem japanischen Yen?

Wechselkurs US-Dollar/japanischer Yen, Tagesdaten

Die BoJ begründete ihr damaliges abwartendes Verhalten damit, dass sie nach all den Jahren des Unterschießens der Inflation nun ein »Überschießen« ermöglichen, das heißt gezielt eine höhere Inflation über einen längeren Zeitraum akzeptieren möchte, damit das Inflationsziel von 2 Prozent nachhaltig erreicht wird. Im Grunde ist diese Strategie auch sinnvoll, viele Ökonomen haben der BoJ in den vergangenen 30 Jahren vorgeworfen, die kleinste Hoffnung auf eine Re-Inflationierung mit zu voreiligen Zinserhöhungen wieder zerstört zu haben. Dementsprechend konnte man diese Strategie auch als ein Annehmen der Kritik werten.

Anfang des Jahres änderte die BoJ dann die Beschreibung, wie sie vorgeht. Immer öfter deutete sie an, der Zeitpunkt für eine erste Zinserhöhung sei gekommen, die dann letztendlich im März kam. Als Begründung führte die BoJ an, dass man es bezüglich der Inflationsentwicklung in Japan mit zwei sich überlagernden Inflationsprozessen zu tun habe: zum einen den pandemiebedingten Inflationsschock, der transitorischer Natur war und langsam abklingt (die sogenannte erste Kraft). Und zum anderen die sogenannte zweite Kraft, das heißt einen sich selbst tragenden Inflationsprozess, bei dem steigende Preise und steigende Löhne eine Eigendynamik entwickeln, die auch nach Abklingen des pandemiebedingten Inflationsschocks wirkt und die Inflation nachhaltig auf das BoJ-Ziel anheben wird. Diese zweite Kraft sah die BoJ im März als so stark an, dass sie trotz möglicher kurzfristiger Rückgänge der Gesamtrate unter das Inflationsziel die Inflation nachhaltig auf dem Ziel verankern kann, und sah damit eine Voraussetzung für einen ausgeprägten Zinserhöhungszyklus gegeben.

Und die Datenlage: Warum wir an der Story so unsere Zweifel haben
Mittlerweile sind einige Monate vergangen, die BoJ hat eine zweite Zinserhöhung Ende Juli geliefert und man kann eine erste Einschätzung wagen, ob die zweite Kraft bereits stark genug ist, also ob sich die Anzeichen verdichten, dass Japan endlich der Ausstieg aus der Niedriginflation der vergangenen 30 Jahre gelungen ist.

Japanischer Inflationsdruck unterscheidet sich von den restlichen G10 …
Zunächst einmal muss man bei einem Blick auf die japanischen Inflationszahlen anmerken, dass sich der japanische Inflationsdruck von dem unterscheidet, was wir in anderen G10-Ländern sehen. In Letzteren kommt der Großteil des verbleibenden Inflationsdrucks aus der Dienstleistungsinflation, die aufgrund enger Arbeitsmärkte und damit einhergehenden höheren Lohndrucks erhöht bleibt – und damit einen wirklichen inländischen Preisdruck darstellt, was auch das Ziel für die Bank of Japan darstellt.

Nur sieht das in Japan gänzlich anders aus. Hier sehen wir eher niedrige Preisanstiege bei der Dienstleistungsinflation, zuletzt ging deswegen die Jahresrate von einem im internationalen Vergleich schon recht geringen Niveau aus sogar weiter zurück (siehe Grafik 2). Die Komponente also, die am ehesten für einen inländischen Preisdruck sprechen würde, fällt eher verhalten aus.

Grafik 2: Japanische Inflation wird von Gütern getrieben

Güter-, Dienstleistungs- und importierte Inflation im Jahresvergleich

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass der Großteil des verbleibenden japanischen Preisdrucks aus der Güterinflation kommt. Das hat sich in den vergangenen Monaten sogar noch verstärkt. Denn während der Trend bei den Dienstleistungspreisen nach unten zeigte, verzeichneten die Güterpreise bis Ende August wieder überraschend starke Preisanstiege. Ein naheliegender Grund für den Anstieg der Güterpreise ist auch leicht gefunden: Der japanische Yen hat in der ersten Jahreshälfte deutlich abgewertet, wodurch die importierte Inflation wieder anzog und mit Verspätung auch die Inflation bei den Güterpreisen (siehe Grafik 2). Der im September aufgetretene saisonbereinigte deutliche Rückgang im Monatsvergleich bei den Güterpreisen ist allerdings ein erster Hinweis darauf, dass sich die Entwicklung nach der Yen-Aufwertung wieder umkehrt. Kurzum: Während in vielen westlichen Ländern der Inflationsdruck aus dem Arbeitsmarkt selbst kommt, wird in Japan der Großteil weiterhin von außen hereingetragen. Das heißt, andere Länder haben diese zweite Kraft, also einen selbsttragenden Inflationsdruck, bereits erreicht, während Japan davon noch ein gutes Stück entfernt ist, auch mehr als ein halbes Jahr nach der ersten Zinserhöhung.

… Lohndruck bleibt bisher verhalten …
Zwei Gründe stechen ins Auge, warum das bisher der Fall war. Zum einen fällt das japanische Lohnwachstum weiterhin eher verhalten aus. Während wir in anderen westlichen Ländern mittlerweile eine Art Aufholeffekt bei den Löhnen sehen, das heißt, die Reallöhne ziehen wieder ein gutes Stückchen an, sehen wir in Japan hier höchstens ganz leichte Hoffnungsschimmer. Zuletzt stiegen zwar die Reallöhne das erste Mal seit über einem Jahr um einen positiven Wert (um dann im August jedoch wieder zu schrumpfen), das dürfte aber allenfalls ein erster Schritt sein. Denn das heißt im Umkehrschluss, dass die japanische Bevölkerung über einen langen Zeitraum Reallohnverluste hinnehmen musste, was daran zweifeln lässt, dass die japanischen Gewerkschaften bei einer nun wieder geringeren Inflationsrate signifikante Lohnsteigerungen durchsetzen können. Letztere sind jedoch erforderlich, um für einen stärkeren inländischen Preisdruck zu sorgen.

… und Wachstum schwächelt deutlich
Schlussendlich muss man aber auch anmerken, dass das japanische Wachstum eigentlich zum derzeitigen Zeitpunkt keine Zinserhöhungen erforderlich macht. Vielmehr fällt das Wachstum weiterhin extrem schwach aus. Japan liegt unter den G7-Volkswirtschaften am weitesten hinter dem Vor-Corona-Trend zurück. Zum einen sorgen die Zinserhöhungen hier für einen restriktiven Effekt, das heißt sie erhöhen die Gefahr, dass das Wachstum auch in der Zukunft schwächer ausfällt. Zum anderen sorgt eine derart schwächelnde Realwirtschaft wiederum für einen schwächeren Lohndruck. Schließlich überlegen sich Unternehmen zweimal, ob sie höhere Löhne zahlen, wenn sie sich in einem Umfeld schwacher Wachstumsaussichten befinden. Auch von der realwirtschaftlichen Seite her spricht momentan also wenig dafür, dass Spielraum für stärkeres Lohnwachstum und damit auch höheren inländischen Inflationsdruck besteht.

Ausblick: kurzfristig möglicherweise Yen-positiv, langfristig dürften Risiken überwiegen
Eine schwächelnde Realwirtschaft, momentan noch verhaltener Lohndruck und eine schwache Dienstleistungsinflation sprechen eher nicht dafür, dass die zweite Kraft bereits ausreichend ist, um die Inflation auf dem Ziel zu verankern. Hinzu kommt, dass die BoJ mit ihren Zinserhöhungen und das japanische Finanzministerium mit seinen Interventionen am Devisenmarkt dafür gesorgt haben, dass der japanische Yen deutlich aufgewertet hat. Das dürfte dazu führen, dass der importierte japanische Inflationsdruck in den kommenden Monaten nachlässt, die Zahl für den September scheint diese Sorgen bereits zu bestätigen. Bisher regiert also auch mehr als ein halbes Jahr, nachdem die BoJ angekündigt hat, die zweite Kraft werde für einen nachhaltigen Inflationsdruck sorgen, in Japan eher das Prinzip Hoffnung.

Für den japanischen Yen ist das langfristig gesehen eher ungünstig. Verstehen Sie mich nicht falsch, kurzfristig gesehen ist es für den japanischen Yen sicherlich positiv zu sehen, dass die BoJ Zinserhöhungen liefert. Und die vorgetragenen Argumente dürften die Bank of Japan auch nicht daran hindern, eine oder gar mehrere weitere Zinserhöhungen zu liefern, wovon der japanische Yen wieder profitieren dürfte. Denn gleichzeitig senken andere Zentralbanken ihre Zinsen teils deutlich, was den japanischen Yen in den kommenden Monaten relativ gesehen stützen sollte.

Nur muss man die Zinserhöhungen vor einem anderen Hintergrund sehen, als das in anderen Ländern der Fall war. Schließlich sind die fundamentalen Voraussetzungen andere. Während in anderen Ländern robuste Realwirtschaften und deutlich höherer inländischer Inflationsdruck während ihrer Zinserhöhungen herrschten, hat Japan beides nicht. Dementsprechend sollten sich die Zinserhöhungen in den kommenden Monaten als Yen-negativ erweisen, sollte die Inflation nicht wie durch ein Wunder wieder anziehen. Denn dann wäre klar geworden, dass die Zinserhöhungen (mal wieder) deutlich zu früh gekommen wären.

Produktidee: Optionsscheine auf Die Wechselkurse EURo/Japanischer Yen und US-Dollar/Japanischer Yen

Sie möchten an der künftigen Wertentwicklung der Devisenpaare Euro/japanischer Yen oder US-Dollar/japanischer Yen partizipieren? Mit BEST Turbo-Optionsscheinen und Faktor-Optionsscheinen von Société Générale haben Sie die Möglichkeit, überproportional an Kursveränderungen zu partizipieren. Ein Überblick über das gesamte Spektrum an Produkten auf Währungen steht Ihnen im Internet unter www.sg-zertifikate.de zur Verfügung.

BEST Turbo-Optionsscheine

WKN

Basiswert

Typ

Basispreis/Knock-Out-Barriere

Hebel

Laufzeit

Geld-/Briefkurs

SH5 ZBP

EUR/JPY

Call

130,6046 JPY

4,8

Unbegrenzt

20,64/20,65 EUR

SW0 FD2

EUR/JPY

Call

150,5176 JPY

11,7

Unbegrenzt

8,54/8,55 EUR

SW9 PSY

EUR/JPY

Put

194,8757 JPY

5,4

Unbegrenzt

18,36/18,37 EUR

SU0 4NV

EUR/JPY

Put

178,4415 JPY

11,9

Unbegrenzt

8,47/8,48 EUR

SN1 C0H

USD/JPY

Call

119,6297 JPY

4,6

Unbegrenzt

20,05/20,06 EUR

SW0 HPW

USD/JPY

Call

134,6804 JPY

8,5

Unbegrenzt

10,89/10,90 EUR

SW8 5ZL

USD/JPY

Put

178,2924 JPY

5,9

Unbegrenzt

15,61/15,62 EUR

SU4 8RP

USD/JPY

Put

169,2424 JPY

9,2

Unbegrenzt

10,05/10,06 EUR

Faktor-Optionsscheine

WKN

Basiswert

Strategie

Faktor

Laufzeit

Geld-/Briefkurs

SY6 YCB

EUR/JPY

Long

4

Unbegrenzt

11,18/11,21 EUR

SY6 YCE

EUR/JPY

Long

9

Unbegrenzt

12,36/12,43 EUR

SY7 8XT

EUR/JPY

Short

–4

Unbegrenzt

8,69/8,71 EUR

SY6 YBD

EUR/JPY

Short

–9

Unbegrenzt

6,90/6,94 EUR

SY6 YAP

USD/JPY

Long

4

Unbegrenzt

11,06/12,06 EUR

SY6 YAU

USD/JPY

Long

9

Unbegrenzt

13,00/14,00 EUR

SY6 X9Z

USD/JPY

Short

–4

Unbegrenzt

13,19/14,19 EUR

SY7 8Y1

USD/JPY

Short

–9

Unbegrenzt

5,02/5,22 EUR

Stand: 23. Oktober 2024; Quelle: Société Générale

Die Darstellung der genannten Produkte erfolgt zu Informationszwecken lediglich in Kurzform und stellt einen Auszug aus dem Gesamtangebot von Société Générale sowie keine Anlageempfehlung dar. Die maßgeblichen Produktinformationen stehen im Internet unter www.sg-zertifikate.de zur Verfügung. Den Basisprospekt sowie die Endgültigen Bedingungen und die Basisinformationsblätter erhalten Sie bei Klick auf die WKN. Sie sind im Begriff, ein komplexes Produkt zu erwerben, das nicht einfach ist und schwer zu verstehen sein kann. Bitte beachten Sie, dass bestimmte Produkte nur für kurzfristige Anlagezeiträume geeignet sind. Wir empfehlen Interessenten und potenziellen Anlegern, den Basisprospekt und die Endgültigen Bedingungen zu lesen, bevor sie eine Anlageentscheidung treffen, um sich möglichst umfassend über die potenziellen Risiken und Chancen des Wertpapiers zu informieren, insbesondere, um die potenziellen Risiken und Chancen der Entscheidung, in die Wertpapiere zu investieren, vollends zu verstehen. Die Billigung des Basisprospekts durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ist nicht als ihre Befürwortung der angebotenen Wertpapiere zu verstehen.