Interview
Trump mobilisiert Anhänger und Gegner: Interview mit Prof. Dr. Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln
ideas: Herr Prof. Jäger, Sie als Experte für internationale Politik beobachten sicher mit besonderem Interesse die Wahl in den USA 2024. Was meinen Sie, hat Amerika 2025 wieder einen Präsidenten, der Donald Trump heißt?
Prof. Thomas Jäger: Wenn jetzt gewählt würde, hätte Trump die Nase vorne. Zwar liegen er und Joe Biden in den bundesweiten Umfragen gleichauf. Aber Trump würde vier von sechs Swing-States gewinnen, die vor vier Jahren alle an Joe Biden gingen. Die Wahlen werden in Arizona, Georgia, Michigan und Nevada entschieden, vielleicht noch in Pennsylvania. Biden hat in diesen Staaten deutlich an Zustimmung verloren. Generell kämpft er mit Schwierigkeiten, als kraftvoller Präsident rüberzukommen. Für zwei Drittel seiner früheren Wähler ist er zu alt. Die jungen Linken nehmen ihm die Unterstützung Israels übel. Und bei den wichtigsten Themen Inflation und Einwanderung wird ihm nicht so viel zugetraut wie Trump. Aber das kann sich freilich in den nächsten Monaten drehen. Denn Donald Trump wird bis November nicht nur seine Anhänger, sondern in ebensolchem Maß auch seine Gegner mobilisieren. Dann heißt es wieder: Jeden außer Trump. Doch bis November ist noch lange hin und kann noch viel passieren.
Bei der ersten Vorwahl in Iowa, als noch alle Mitbewerber im Rennen waren, konnte Trump mit 51 Prozent der Stimmen und großem Vorsprung gewinnen. Wie erklären Sie sich die starken Zustimmungswerte?
Trump und seine Wähler sind ein Phänomen. Sie sind seit sieben Jahren die stabilste politische Kraft in den USA. Wer für Trump ist, der ist glühend für ihn. Das liegt daran, dass Trump seine eigene Welt geschaffen hat, in deren Bann er seine Wähler zog. Jeder weiß, dass die Wahl 2020 nicht gestohlen war, doch drei Viertel der Trump-Anhänger sind davon überzeugt. Unter seinen Anhängern herrscht der Konsens, dass ihr Idol die Welt und die Zustände in den USA richtig beschreibt und alles andere Lüge ist. Sie leben in der Echokammer eines Narzissten. Totaler Sieg oder Untergang. Deswegen sind die Zustimmungswerte unter den Republikanern so hoch. In manchen Staaten liegen die bei 70 Prozent. Das heißt aber auch, dass er ebenso glühend abgelehnt wird. Mit Bezug auf Trump ist nichts lau.
Der Historiker und Yale-Professor Timothy Snyder entwarf das Szenario eines Bürgerkriegs für den Fall, dass Trump wieder US-Präsident wird. Sehen Sie die Lage ähnlich ernst?
Fast 20 Prozent der US-Bürger erwarten, noch einen Bürgerkrieg zu erleben. Einen richtigen Bürgerkrieg. Denn im »kalten Bürgerkrieg« stecken die USA schon. Die gläubigen Republikaner, Anhänger der Ersatzreligion Trumps, denken, dass die Demokraten, die sie Radikale, Kommunisten und vor allem unamerikanisch nennen, die USA zerstören wollen. Dem liegt ein Grundkonflikt zugrunde: Republikaner sehen die USA als leuchtende Stadt auf dem Hügel, die Spitze des Fortschritts. Linke Demokraten hingegen als fortgesetzte Sklavenhaltergesellschaft, die den Rassismus und Kolonialismus nicht überwunden hat. Da gibt es keinen Kompromissraum. Ob es gewalttätig wird, ist schwer abzusehen. Waffen sind genug im Land und Trump wollte schon einmal die Armee im Innern einsetzen. Das wäre ein möglicher Kipppunkt. Der Hass aufeinander ist jedenfalls jahrelang geschürt worden.
Was würde ein Sieg Trumps für Europa bedeuten? Vor allem mit den bestehenden Konflikten in der Ukraine und dem Nahen Osten?
An Trumps politischen Grundsätzen hat sich in den vergangenen vier Jahren nichts geändert. Er sieht sich als Mittelpunkt des Universums und weil die USA das Glück haben, dass er Präsident ist, profitiere das Land von ihm. Denn er betrachtet jede Beziehung zu anderen Staaten als Geschäft. Da gibt es die Gegner (wie China), die Ausnutzer (wie Deutschland) und die Loser, die ihn nicht weiter interessieren. Europa und die Ukraine gehören für ihn zu den Ausnutzern, den Trittbrettfahrern. Deshalb wird Trump die Beziehungen zu Europa an zwei Maßstäben messen: Wie sieht die Handelsbilanz aus? Wie viel wird für Verteidigung ausgegeben? Denn die USA bieten Sicherheit und Handel an, wollen davon aber profitieren. Die Ukraine wird weiter unterstützt werden, aber zahlen sollen das dann die EU-Staaten. Bei Israel liegt es anders. Für Trump gehören die Palästinenser zu den Losern, er würde Israel kräftig unterstützen. Ein wenig auch, weil das seine evangelikalen Wähler von ihm erwarten. Aber etwas wird anders sein als 2017. Trumps Team ist diesmal vorbereitet.
Der Krieg in der Ukraine geht nun in das dritte Jahr. Sehen Sie eine Möglichkeit, wie dieser Konflikt in absehbarer Zeit auf diplomatischem Weg gelöst werden könnte?
Nein, denn Kriege können über Verhandlungen nur beendet werden, wenn es etwas zu teilen gibt. Land zum Beispiel. Monarchien konnten das untereinander. Das gelingt aber nicht, wenn eine Seite, konkret Russland, den angegriffenen Staat, die Ukraine, auslöschen will. Aber genau darum geht es momentan. Russland will nicht einfach nur mehr Territorium, davon hat es genug. Und der geschichtspolitische Hokuspokus von Groß-, Klein- und Weißrussen dient als Überbau für ein schlichtes Interesse: Die Ukraine auslöschen, das Land einnehmen und von dort aus die EU zerlegen, um am Ende die politisch dominante Macht in Europa zu sein. Russland will Weltmacht sein, mit China und den USA auf Augenhöhe sprechen. Nur so könne Russland existieren, sagt Putin. Aber dazu reichen seine Bevölkerung und Wirtschaftskraft nicht aus. Addiert man jedoch die 450 Millionen Menschen aus der EU dazu und auch die 15 Billionen Euro Wirtschaftskraft, kommt ein weltmachtfähiges Fundament zusammen. Die Ukraine ist aus Putins Sicht nur der erste Mosaikstein. Den zweiten, Belarus, hat er schon kassiert. Jetzt wartet er, dass die EU-Staaten einknicken oder Russland ergebene Parteien wählen. Übrigens, Russland und China bewerten das Ergebnis dieser Entwicklung völlig unterschiedlich. Russland will dann souveräne Weltmacht sein; China hofft, dass Russland die USA aus Europa vertreibt, wie der Iran das aus dem Mittleren Osten unternehmen soll, um dann selbst das Ruder zu übernehmen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anja Schneider.