Technische Analyse

Traden mit den Wolken

In dieser Ausgabe geben wir einen Überblick über das Indikatorensystem Ichimoku Kinko Hyo. Diese Technik wurde vor einigen Jahren in der westlichen Trading-Szene populär, blickt jedoch bereits auf eine lange Geschichte zurück.

In den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts begann der japanische Finanzjournalist Goichi Hosoda mit Unterstützung zahlreicher Studenten mit der Entwicklung eines Indikatorensystems. Ende der Sechzigerjahre begann er, das Ergebnis einer breiteren (japanischen) Öffentlichkeit zu präsentieren, und veröffentlichte bis 1980 insgesamt sieben Bücher zu dem Thema unter dem Pseudonym Ichimoku Sanjin. Erst mit einem weiteren Buch des Technischen Analysten Hidenobu Sasaki aus dem Jahr 1996, in dem er die von Hosoda beschriebenen Techniken im Auftrag von Hosodas Sohn zusammentrug, kam der Durchbruch in der Popularität. Das Buch von Sasaki wurde in Japan neun Jahre in Folge als bestes Buch über Technische Analyse ausgezeichnet. Da die genannten Bücher alle in Japanisch geschrieben waren, ereilte die Technik dasselbe Schicksal wie viele andere japanische Techniken wie beispielsweise Candlesticks: Sie wurden zwar rege von japanischen Tradern verwendet, blieben jedoch der westlichen Welt lange Zeit weitgehend verborgen. Dies sollte sich im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts ändern mit den ersten Werken zu diesem Thema in englischer Sprache.

Grafik 1: Ichimoku-Linien und Wolke

Konstruktion
Ichimoku Kinko Hyo (IKH) bedeutet frei übersetzt »alles auf einem Blick« und besteht aus fünf Indikatoren. Zwei davon bilden die obere und untere Begrenzung der sogenannten Wolke (Kumo), der IKH die umgangssprachliche Bezeichnung Wolkenchart zu verdanken hat. Neben der Indikatorentechnik beinhaltet das IKH-System eine Zeittheorie, eine Wellentheorie und eine Methodik zur Kurszielbestimmung. Nachfolgend beschränken wir uns auf die reine Indikatorentechnik, die bei den meisten praktizierenden Wolkentradern im Vordergrund steht. Vier der fünf Linien, aus denen IKH konstruiert wird, sind Durchschnittslinien. Bei deren Berechnung wird jedoch nicht der Mittelwert der Schlusskurse einer bestimmten Zeitperiode verwendet, sondern der Mittelwert des Hochpunkts und Tiefpunkts einer bestimmten Zeitperiode.

  • Kijun-Sen: Mittelwert vom höchsten und tiefsten Kurs der letzten 26 Tage
  • Tenkan-Sen: Mittelwert vom höchsten und tiefsten Kurs der letzten 9 Tage
  • Senkou-Span 1: Mittelwert von Tenkan-Sen und Kijun-Sen, 26 Tage in die Zukunft projiziert
  • Senkou-Span 2: Mittelwert vom höchsten und tiefsten Kurs der letzten 52 Tage, 26 Tage in die Zukunft projiziert
  • Chikou-Span: aktueller Kurs um 26 Tage rückwärts projiziert
  • Kumo (Wolke): Bereich zwischen Senkou-Span 1 und Senkou-Span 2

Die verwendeten Perioden 9, 26 und 52 für die Berechnung der Linien basierten auf der damals üblichen 6-Tage-Handelswoche. Daher ließe sich plausibel argumentieren, dass heutzutage die Einstellungen 8, 22 und 44 passender sein müssten. Nichtsdestoweniger verwenden die meisten Trader weiterhin die von Hosoda empfohlenen Standardeinstellungen.

Signale
IKH liefert anhand der fünf Linien Aussagen über die Trendrichtung und Trendstärke, generiert Kauf- und Verkaufssignale und zeigt Unterstützungen und Widerstände an. Ein Aufwärtstrend wird indiziert, wenn Kijun-Sen steigt und sich unterhalb des aktuellen Kurses des Basiswerts befindet. Entsprechend liegt ein Abwärtstrend vor, wenn Kijun-Sen fällt und sich oberhalb des Kurses des Basiswerts befindet. Ein horizontal verlaufender Kijun-Sen signalisiert einen Seitwärtstrend. Daneben fungiert Kijun-Sen als relevante Unterstützungs- und Widerstandslinie. Ein Kaufsignal wird generiert, wenn Tenkan-Sen Kijun-Sen von unten nach oben kreuzt. Ein Verkaufssignal entsteht, wenn Tenkan-Sen Kijun-Sen von oben nach unten kreuzt. Die Wolke fungiert als Signalfilter und weitere Trendindikation. Oberhalb der Wolke befindet sich die Preiskurve des Basiswerts in einem Aufwärtstrend und es werden nur Kaufsignale wahrgenommen. Unterhalb der Wolke liegt ein Abwärtstrend vor und es werden nur Verkaufssignale wahrgenommen. Bei Signalen, die entstehen, während sich die Preiskurve innerhalb der Wolke befindet, können Kaufsignale wahrgenommen werden, wenn die Preiskurve von oben in die Wolke eingetaucht und Verkaufssignale, wenn sie von unten in die Wolke eingetaucht ist. Eine konservativere Vorgehensweise ist, Signale zu ignorieren, die innerhalb der Wolke entstehen. Ferner ist die Trendindikation anhand der Wolke bullish, falls sich der kurzfristige Senkou-Span 1 über dem langfristigen Senkou-Span 2 befindet, und bearish, falls es umgekehrt ist. Meist wird dies in der Chartsoftware durch eine unterschiedliche Einfärbung der Wolke auf den ersten Blick ersichtlich. Ist der Kurs des Basiswerts oberhalb der Wolke, wirken die beiden Begrenzungslinien der Wolke als Unterstützungsniveaus. Befindet sich der Kurs unterhalb der Wolke, wirken sie als Widerstandsniveaus. Bei einer dicken Wolke gelten die Unterstützungen und Widerstände dabei als stärker als bei einer dünnen Wolke.

Grafik 2: Ausgewählte Ichimoku-Signale

Kaufsignale werden nur wahrgenommen, wenn Chikou-Span über dem Kurs der Preiskurve und der Wolke vor 26 Tagen notiert. Verkaufssignale werden lediglich wahrgenommen, falls Chikou-Span unterhalb des Kurses und der Wolke vor 26 Tagen liegt. Als Kaufsignal gilt ebenfalls das Kreuzen der Preiskurve des Basiswerts der oberen Wolkenbegrenzung per Schlusskurs von unten nach oben. Entsprechend liegt ein Verkaufssignal vor, falls die untere Wolkenbegrenzung von oben nach unten gekreuzt wird. Schließlich kann auch das Kreuzen von Kijun-Sen durch die Preiskurve per Schlusskurs von unten nach oben als Kaufsignal bzw. von oben nach unten als Verkaufssignal wahrgenommen werden, falls die Positionierung der Wolke als Filter einen Aufwärtstrend bzw. Abwärtstrend indiziert.

Vorteile und Schwächen
Der Vorteil, die IKH-Technik zu nutzen, liegt klar in der Vielzahl unterschiedlicher Signale und Trendindikationen, die das System auf einen Blick liefert. Wie bei allen trendfolgenden Modellen kommt es jedoch häufiger zu Fehlsignalen, falls die Preiskurve nach einer Trendphase in eine Seitwärtsbewegung übergeht. Daher ist ein striktes Risikomanagement Pflicht.

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