Technische Analyse
Trendlinien
Eines der ältesten und zugleich wertvollsten Werkzeuge in der Technischen Analyse ist die Trendlinie. Zwar ist das Zeichnen einer Trendlinie grundsätzlich alles andere als kompliziert, doch ist es wichtig, sich im Vorfeld über einige elementare Dinge im Zusammenhang mit der Anwendung und dem Zweck von Trendlinien klar zu werden, um Missverständnisse zu vermeiden.
Trendlinie oder Trend?
Ein verbreitetes Missverständnis im Zusammenhang mit Trendlinien ist bereits terminologisch angelegt. Entgegen dem, was der Wortlaut nahelegen würde, dient die Trendlinie nicht der Definition des Trends bzw. der Begründung der Existenz eines Trends. Wie bereits bei der Behandlung des Trendkonzepts dargelegt, wird das Vorliegen eines Trends unter Technischen Analysten seit Charles Dow, dem Urvater der modernen Technischen Analyse, mit der Abfolge von Hoch- und Tiefpunkten und somit nicht mittels Trendlinien geklärt. Entsprechend ist auch der Bruch eines Trends vom bloßen Bruch einer Trendlinie zu unterscheiden. Die praktische Aufgabe einer Trendlinie ist, zum einen die Steilheit eines existierenden Trends zu visualisieren und zum anderen Unterstützungen bzw. Widerstände im Trendverlauf aufzuzeigen.
Grafik 1: Aufwärtstrendlinie
Konstruktion und Definition
Eine Aufwärtstrendlinie ist eine gerade Linie, die entlang steigender Tiefpunkte gezogen wird. Eine Abwärtstrendlinie ist eine gerade Linie, die entlang fallender Hochpunkte gezogen wird. So weit, so gut. Damit bedarf es notwendigerweise mindestens zweier Tiefpunkte bzw. Hochpunkte in der Preiskurve, um das Lineal oder das Trendlinien-Tool in der Chartanalyse-Software anzusetzen. Bei einem Chart, der die Information der Periodentiefs und Periodenhochs enthält (OHLC-Chart), werden auch die jeweiligen Extrema der Periode beim Zeichnen der Trendlinie verwendet, das heißt, beispielsweise im Tages-Kerzenchart werden für das Zeichnen der Aufwärtstrendlinie die Tagestiefs verbunden und bei der Abwärtstrendlinie die Tageshochs. Noch nicht geklärt ist bei dieser Definition, wann der zweite Tiefpunkt bzw. Hochpunkt als solcher identifiziert ist. Unzweifelhaft bedarf es einer deutlichen Kursreaktion vom potenziellen zweiten Auflagepunkt der Trendlinie. Entgegen vereinzelt vertretener Auffassung und nach der ganz überwiegenden Meinung unter Technischen Analysten bedarf es jedoch nicht bereits der Markierung eines neuen Hochs (im Aufwärtstrend) bzw. Tiefs (im Abwärtstrend). Denn die Trendlinie dient, wie bereits erörtert, nicht der Definition eines Trends, sondern der Identifizierung von Unterstützungen bzw. Widerständen. Zudem hätte man ansonsten Schwierigkeiten zu begründen, warum man bei symmetrischen Dreiecken das Anlegen entsprechender Trendlinien als Begrenzung des Dreiecks dennoch zulassen sollte. Eine Möglichkeit, das Vorliegen einer deutlichen Kursreaktion zu verobjektivieren, wäre das von einigen Analysten vorgeschlagene Erfordernis einer 50-prozentigen Gegenbewegung zum vorausgegangenen Hochpunkt bzw. Tiefpunkt.
Bestätigung und Signifikanz
Solange eine Trendlinie lediglich auf zwei Auflagepunkten basiert, wird sie auch als versuchsweise Trendlinie oder vorläufige Trendlinie bezeichnet. Mit dem dritten erfolgreichen Test wandelt sie sich begrifflich mit der dann vorliegenden Bestätigung zur gültigen Trendlinie. Grundsätzlich gilt: Je häufiger eine Trendlinie getestet wurde und je länger sie intakt war, desto bedeutender wird sie. Und umso charttechnisch bedeutender würde natürlich auch das von einem Bruch der Trendlinie ausgehende Signal. Anlass zur Skepsis, was die Verlässlichkeit einer Trendlinie angeht, bieten zu steile oder zu flache Trendlinien. Einige Experten erachten einen 45-Grad-Winkel als am stabilsten. Hierbei kommt es jedoch natürlich auch wesentlich auf die Skalierung der Chart-Achsen an.
Praktische Anwendung
Der Bruch einer Trendlinie ist eines der frühesten Warnsignale, dass auch der zugrunde liegende Trend gebrochen werden könnte. Dabei sollte man sich jedoch bewusst sein, dass die genaue Lage einer Trendlinie konstruktionsbedingt etwas variieren kann, je nachdem, in welcher Periodeneinstellung man sich den Chart betrachtet. So befindet sich beispielsweise dieselbe Trendlinie im Monatschart meist nicht exakt an derselben Stelle wie im Stundenchart. Zudem kommt es beim Wechsel zwischen arithmetischer und logarithmischer Skalierung zu unterschiedlichen Ergebnissen, was die Verortung der Linie angeht. Verwendet man einen Linienchart, bei dem nur die Schlusskurse miteinander verbunden sind, wird man eine andere Trendlinie erhalten als bei einem Barchart bzw. Kerzenchart, bei dem die Periodenextrema beim Zeichnen der Trendlinie verwendet werden. Solange die Trendlinie intakt ist, ermöglicht sie dem Anleger den antizyklischen Einstieg in Trendrichtung, da die Linie als Unterstützung (Aufwärtstrend) bzw. Widerstand (Abwärtstrend) fungiert. Bei einem nachhaltigen Bruch der Trendlinie können bestehende Positionen geschlossen werden oder sogar Positionen in Ausbruchsrichtung eröffnet werden. Die Frage der Nachhaltigkeit eines Trendlinienbruchs ist, so wie bei jeder Unterstützung bzw. jedem Widerstand, mit Preis- und Zeitfiltern zu beurteilen (zum Beispiel 3-Prozent-Regel, 2-Tage-Regel), um Fehlsignale zu reduzieren. Nicht selten kommt es zu einem marginalen Fehlausbruch und die Kurse setzen anschließend den Trend fort – eventuell nur mit einem geringeren Steigungswinkel. Flexible Anleger nutzen einen solchen erkannten »False Breakout«, um in Richtung des ursprünglichen und meist auch noch intakten Trends einzusteigen.
Grafik 2: Trendlinien im DAX-Monatschart (arithmetisch)
Weiter zu Teil 5: Gleitende Durchschnitte
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