Technische Analyse
Der Stop-Loss
Mindestens genauso wichtig wie die Frage des richtigen Einstiegs in eine Position ist die Frage des richtigen Ausstiegs. Beginnend mit dieser Folge widmen wir uns diesem für Anleger wichtigen Thema. Zunächst betrachten wir die möglichen Herangehensweisen für den Fall, dass sich die Position nach dem Einstieg in die unerwünschte Richtung bewegt.
Möchte man als Anleger lange im Geschäft bleiben, empfiehlt es sich, die unvermeidbar im Trading-Alltag ebenfalls entstehenden Verluste nicht zu groß werden zu lassen. Darauf bezieht sich die alte Wall-Street-Weisheit »Cut your losses short«. Zwischenzeitliche kleine Verluste stellen praktisch die laufenden Kosten des Trading-Geschäfts dar. Ein auf lange Sicht guter Trader ist immer auch ein guter Risiko-Manager. Risiko-Management bedeutet Verlustbegrenzung. Der dahinter stehende Sinn ist mathematisch einfach erklärt: Je größer der entstehende prozentuale Verlust, desto überproportional größer muss der anschließende Gewinn werden, um den Verlust wieder auszugleichen. Entsprechend unrealistischer wird ein solches Unterfangen. Um einen Verlust von beispielsweise 10 Prozent wieder wettzumachen, bedarf es lediglich eines Gewinns von 11 Prozent. Rutscht eine Position hingegen mit 50 Prozent ins Minus, müsste sich die Position anschließend wieder verdoppeln, damit man wieder da steht, wo man vorher war. Bei einem Verlust von 90 Prozent wären es bereits sagenhafte 900 Prozent.
Trade-Planung und Stop-Loss
Der Anleger sollte sich unbedingt bereits vor dem Einstieg in eine Position darüber klar werden, wo er den anfänglichen Stop-Loss (Initial Stop-Loss) platzieren wird. Die tatsächliche Platzierung der Stop-Loss-Order sollte spätestens unmittelbar nach der Eröffnung der Position erfolgen. Unter Berücksichtigung des anvisierten Mindestkursziels sollte sich dabei ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis von mindestens 2:1 ergeben. Mit anderen Worten sollte der ins Auge gefasste mögliche Gewinn mindestens doppelt so groß sein wie der Verlust, der durch die Auslösung der Stop-Loss-Order entstehen würde. Zugleich sollte das Gesamtrisiko für das Depot idealerweise nicht mehr als 2 Prozent betragen, um ein angemessenes Money Management sicherzustellen. Die meisten professionellen Trader verwenden ein Gesamtrisiko von 0,5 bis 1,0 Prozent. Auf der anderen Seite darf man sich natürlich nicht das Chance-Risiko-Verhältnis willkürlich schönrechnen, indem man einfach ein entsprechendes zum Kursziel passendes Stop-Loss-Niveau wählt. Denn wählt man den Stop-Loss zu eng und ohne charttechnische Relevanz, ist die Gefahr des Ausgestopptwerdens durch unbedeutende Kursschwankungen zu groß.
Der Klassiker
Der unangefochtene Klassiker unter den Möglichkeiten, einen Stop-Loss festzulegen, ist die Verwendung eines vergangenen wichtigen Tiefpunkts (bei einer Long-Position) bzw. eines vergangenen wichtigen Hochpunkts (bei einer Short-Position). Ein solcher Stop ist charttechnisch sinnvoll, da eine Verletzung des entsprechenden Niveaus einen Strukturbruch darstellen würde. Entweder würde – im Aufwärtstrend und im Abwärtstrend – der Trend, der gespielt werden sollte, gebrochen, oder die Bodenbildungsformation bzw. Topformation, auf die spekuliert wurde, würde negiert oder die Handelsspanne, auf deren Fortbestand gesetzt wurde, wurde beendet. In allen genannten Fällen ist somit der charttechnische Grund für die Positionseröffnung weggefallen. Entsprechend ist eine Auflösung der Position knapp unterhalb des kritischen Tiefs bzw. knapp oberhalb des kritischen Hochs nur konsequent. Aus dem gleichen Grund sollte bei einem antizyklischen Einstieg in einer Korrektur des Trends im Bereich einer Unterstützung oder eines Widerstands die Position per Stop-Loss veräußert werden, falls die Unterstützung oder der Widerstand verletzt werden.
Grafik 1: Beispiel für Stop-Loss unter Tiefpunkten bei Long-Position
Grafik 2: Beispiel für Stop-Loss über Hochpunkten bei Short-Position
Der volatilitätsabhängige Stop-Loss
Eine weitere Möglichkeit, den Stop-Loss zu bestimmen, ist die Verwendung des Average True Range-(ATR)-Indikators. Er misst die sogenannte wahre Handelsspanne über eine definierte Periode. Dieser von Welles Wilder entwickelte volatilitätsbezogene Indikator ist in den meisten Chartsoftwares enthalten. In der Standardeinstellung findet die Periodenlänge 14 Anwendung. Üblich sind Stop-Loss-Abstände von der einfachen ATR bis zur zweifachen ATR. Beträgt die ATR (14) bei Positionseröffnung also beispielsweise 150 Punkte im DAX-Tageschart, so kann der anfängliche Stop-Loss 150 Punkte bis maximal 300 Punkte entfernt platziert werden, falls man auf Basis des Tagescharts seine Trading-Idee entwickelt hat. Die ATR kann jedoch auch auf kürzere oder längere Zeiteinheiten angewendet werden, womit die entsprechenden Stops dann näher oder weiter entfernt liegen.