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Ausübungsmethoden: europäisch vs. amerikanisch

Stöbert man in den Büchern oder Broschüren, die sich mit Optionsscheinen beschäftigen, stößt man oft auf Begriffe wie europäische bzw. amerikanische Optionsscheine. Was bedeutet das eigentlich? Wie wichtig sind diese Begriffe? Mit der »Kontinentbezeichnung« europäisch oder amerikanisch wird die Ausübungsart bzw. die Ausübungsfrist eines Optionsscheins beschrieben.

Was ist eine Ausübung?
Ein Optionsschein verbrieft das Recht, einen Basiswert zu einem vorher definierten Preis, dem Basispreis, zu kaufen (im Fall eines Call Optionsscheins) bzw. zu verkaufen (im Fall eines Put Optionsscheins). Da es sich bei diesen Produkten um bedingte Termingeschäfte handelt, hat der Inhaber eines Optionsscheins das Recht, jedoch nicht die Pflicht, das Optionsrecht auszuüben. Einen Optionsschein auszuüben bedeutet somit, dieses Optionsrecht zu beanspruchen.

Da für die Commerzbank-Optionsscheine ausschließlich »cash settlement« vorgesehen ist, erhält der Anleger bei Ausübung des Optionsrechts immer den inneren Wert des Optionsscheins. Dies entspricht bei einem Call Optionsschein der Differenz zwischen dem Kurs des Basiswerts und dem Basispreis, bei einem Put Optionsschein der Differenz zwischen dem Basispreis und dem Kurs des Basiswerts. Dementsprechend ist eine Ausübung von Vorteil nur bei Optionsscheinen, die im Geld notieren, da sonst der innere Wert und damit der Auszahlungsbetrag gleich null ist.

Europäisch vs. amerikanisch
Besteht das Recht, einen klassischen Optionsschein während der gesamten Laufzeit ausüben zu können, spricht man von einem amerikanischen Optionsschein. Kann ein klassischer Optionsschein nur am Fälligkeitstag ausgeübt werden, handelt es sich um einen europäischen Optionsschein. Bei Letzterem ist also keine Ausübung während der Laufzeit möglich. Alle von der Commerzbank emittierten Optionsscheine sind vom Typ her amerikanisch. Am Ende der Laufzeit werden die Optionsscheine automatisch ausgeübt. Haben sie einen inneren Wert, so wird dieser ausbezahlt, andernfalls werden die Optionsscheine wertlos ausgebucht.

Lohnt es sich, einen Optionsschein vorzeitig auszuüben?
Der Wert eines Optionsscheins besteht aus zwei Komponenten, dem bereits angesprochenen inneren Wert sowie dem sogenannten Zeitwert. Letzterer drückt letztlich die eingepreiste Möglichkeit aus, dass sich der Basiswert bis zum Laufzeitende noch günstig für den Anleger entwickelt. Da während der Laufzeit ein Optionsschein aufgrund des Zeitwerts in der Regel über dem inneren Wert notiert, würde man durch eine Ausübung einen geringeren Betrag erhalten als beim direkten Verkauf des Optionsscheins. Eine vorzeitige Ausübung lohnt sich also nur in Ausnahmefällen, die im Folgenden erörtert werden.

Call Optionsschein: Ist es für den Anleger meistens nicht vorteilhaft, einen Call Optionsschein während der Laufzeit auszuüben, da er dadurch auf eine mögliche weitere positive Entwicklung des Basiswerts verzichtet, so existiert bei einer anstehenden Dividendenzahlung jedoch eine Situation, bei der es sich für den Anleger lohnt, das Optionsrecht auszuüben. Dies trifft bei einem im Geld liegenden Call zu, wenn der Barwert der Dividende größer ist als der Zeitwert des Calls – meistens ist dies bei Optionsscheinen mit geringer Restlaufzeit unmittelbar vor der Dividendenauszahlung der Fall. Hier ist für den Anleger die logische Entscheidung, das Optionsrecht auszuüben, um so den inneren Wert cum Dividende ausbezahlt zu bekommen, anstatt auf eine weitere positive Entwicklung des Basiswerts zu warten. Dies lässt sich anhand eines Beispiels am besten erklären.

Beispiel: Die Allianz-Aktie hat am 5. Mai 2016 (dem Ex-Tag) eine reguläre Dividende in Höhe von 7,30 Euro gezahlt. Am Ex-Tag soll der Aktienkurs (ceteris paribus) um den Dividendenbetrag fallen. Der Schlusskurs der Allianz-Aktie betrug am 4. Mai 2016 149,80 Euro. Kurz nach Handelseröffnung am 5. Mai 2016 notierte die Allianz-Aktie bei 143,08 Euro, somit betrug der Abschlag auf den Vortageskurs 6,72 Euro.

Der Call Optionsschein auf Allianz mit Basispreis 135,00 Euro, Bezugsverhältnis von 0,1 und Fälligkeit am 18. Mai 2016 notierte am 4. Mai 2016 gegen 17.35 Uhr bei 1,50 Euro (Geldkurs). Tatsächlich notierte der Call um kurz nach 09.00 Uhr am 5. Mai 2016 mit einem Geldkurs von 0,83 Euro. Der Call-Abschlag betrug 0,67 Euro zum Vortag, was wiederum einem Abschlag von 6,70 Euro in der Aktie entspricht.

Der Call Optionsschein ist somit um den gleichen Betrag (Bezugsverhältnis bereinigt) gefallen wie der Aktienkurs. Allerdings hat der Call-Inhaber im Gegensatz zum Aktieninhaber keinen Anspruch auf die Dividende.

In diesem Fall wäre (ist) es für den Call-Inhaber von Vorteil gewesen, den Optionsschein am 4. Mai 2016 auszuüben oder zu verkaufen, sonst droht am Ex-Tag der Preisverlust in Dividendenhöhe. Bei einem solchen Call Optionsschein kann die Dividende durch den Emittenten im Vorfeld jedoch nicht komplett eingepreist werden, da sonst eine Arbitragemöglichkeit entstehen würde:

Wäre die Dividende bereits im Call-Preis inbegriffen, würde der Anleger vor der Dividendenzahlung den Call (zum Ex-Dividendenkurs) erwerben. Anschließend würde er das Optionsrecht ausüben, um den inneren Wert des Optionsscheins zum aktuellen Zeitpunkt – die Differenz zwischen dem Kurs des Basiswerts cum Dividende und dem Basispreis – ausbezahlt zu bekommen. Dadurch bekäme der Anleger indirekt die Dividende ausbezahlt, obwohl er den Optionsschein bereits bereinigt um den Betrag der Dividende erworben hat. In der Praxis muss der Optionsschein-Inhaber am Ausübungstag die Ausübung bist 10.00 Uhr beantragen, der Optionsschein wird zum Tagesschlusskurs der Aktie ausgeübt, sodass der Anleger das Aktienkursrisiko bis zum Handelsschluss trägt. Hätte der Allianz-Call am 4. Mai 2016 vormittags bei einem Allianzkurs von 150,00 Euro mit Dividendenabschlag beispielsweise bei 0,79 Euro notiert, hätte der Anleger den Call gekauft und sofort eine Ausübung beantragt. Der Call wäre zum Schlusskurs zu 1,48 Euro abgerechnet worden (die Differenz aus Aktienschlusskurs 149,80 und Basispreis 135,00 mit dem Bezugsverhältnis von 0,1 multipliziert). Der Arbitragegewinn wäre 0,70 Euro gewesen (der Verkauf am Folgetag nach der Markteröffnung hätte nur einen Gewinn von 0,83 – 0,79 = 0,04 Euro gebracht, was wiederum der mit dem Bezugsverhältnis bereinigten Nettoveränderung der Aktie zum Verkaufs- und Kaufzeitpunkt des Calls entsprochen hätte, 143,08 – (150,00 – 7,30) = 0,38 Euro).

Um diese Arbitragemöglichkeit zu verhindern, kann bei solchen Optionsscheinen die Dividende daher nicht oder nur teilweise im Voraus eingepreist werden. Die komplette Anpassung um den Dividendenbetrag erfolgt dann erst am Ex-Dividendentag und führt zu einem Kursrückgang des Calls. Der Call-Inhaber sollte spätestens am Tag der Hauptversammlung überprüfen, ob dieser Sonderfall für seinen Optionsschein zutrifft. Ist dies der Fall, so sollte der Anleger in Erwägung ziehen, den Optionsschein vor dem Ex-Dividendentag zu veräußern und im Anschluss wieder zu erwerben, um den beschriebenen Kursrückgang zu vermeiden.

Put Optionsschein: Da die Put-Auszahlung bei Ausübung der Differenz zwischen dem Basispreis und dem Preis des Basiswerts entspricht, ist diese theoretisch am höchsten, wenn der Preis des Basiswerts null ist. Die maximale theoretische Auszahlung entspricht dem Basispreis. Eine vorzeitige Ausübung eines amerikanischen Puts lohnt sich somit nur dann, wenn zum Beispiel vor dem Laufzeitende eine Aktie wertlos oder nahe null notiert, da der Put-Inhaber auf diese Weise noch vor dem Verfallstermin die höchstmögliche Auszahlung erhält (dies gilt unter Annahme von positiven Zinsen).

Wird der Optionsschein während der Laufzeit weder vorzeitig ausgeübt noch verkauft, erfolgt bei Fälligkeit wie bereits erwähnt die automatische Ausübung: Der Auszahlungsbetrag (sofern dieser positiv ist) wird dem Anleger automatisch gutgeschrieben.